Sarnaut
Prolog
Funkenflug
Ihre nackten Finger fraßen sich mit letzter Kraft in das hellweiß blitzende Eis der letzten Scholle an der nun ihr Leben hing. Mit den Gliedmaßen schon weit über dem Abgrund baumelnd war sie sicher weitermachen zu wollen, zu leben, zu kämpfen. Der nie enden wollende Blizzard der vereisten Grenzlande trug die verhallenden Rufe aus der Ferne davon, bevor sie überhaupt in der Lage waren zu ihr durchdringen zu können. Die Kälte, die sukzessiv durch ihren Körper kroch, begann dem Feuer ihrer Seele die Energie zu entziehen. Mit jedem vergehendem Atemzug verlor sie ihr letztes so wertvolles Augenlicht. Der Versuch auch nur einen Gedanken zu formen, der sie aus dieser todgeweihten Lage hätte retten können, misslang. Der Tod, er würde kommen. Derart armselig? War das ihr Schicksal? Nichts Heroisches war an diesem Tod. Sah jemand zu? Wer würde zu sehen? Ein Gott? Sie wollte es nicht wissen. Es musste weitergehen. Ein letzter Schrei, ein letzter Sprung. Ihre letzte Kraft zusammennehmend wagte sie einen verzweifelten letzten Satz auf die auseinanderbrechende Scholle über ihr. Der Schmerz, der durch ihre Fingerkuppen fuhr, war unaushaltbar. Als würden sich giftgetränkte Pfeilspitzen tief in ihre Hände bohren und ihr Gewebe allmählich zersetzen. Ein Schrei. Ein Sprung. Vergeblich. Der Tod. Unausweichlich. Kümmerlich. Die Scholle kippte. Der Schmerz ließ nach. Das ewige Eis saugte das letzte Quäntchen Leben aus ihrem bereits verkrüppelten Körper. Sie fiel in den unendlichen Abgrund des Astrals. Mitten hinein in den kältesten, leblosesten Ort dieses Universums. Das was sie so verabscheute sollte am Ende ihren Tod besiegeln. Sie fiel. Vor ihr verschwammen die Silhouetten des Letzten was ihre Augen im Stande waren wahrzunehmen zu einem Gebilde. Ein dunkler, unendlich hoch in den Himmel ragender Turm, dessen äußere Form eine an den Wänden bis ins Licht erstreckenden Spirale darstellte. Aus den zehntausend Öffnungen des Turms begannen sich aus der Ferne kleine Männchen herauszubeugen. Sie streckten ihre Arme aus, öffneten ihre Handflächen und setzten ein leeres, lächerlich falsches Grinsen auf. Den Mund dabei weitaufreißend sahen sie ihr nach. Wer waren sie? Waren es Freunde? Waren es Feinde? Seelen? Waren es welche die zusahen? Oder waren es welche die entschieden? Die Logik war zwar unerschütterlich, aber jemanden, der leben wollte, widerstand sie nicht. Ohne Atem, ohne Herzschlag verschmolz die Zeit zu einem einzigen Augenblick der ewig während zu sein schien. Ihre Geschichte war zu Ende erzählt. Daran gab es keinen Zweifel. Die Mienen, der an den Fenstern des Turmes sich vorbeugenden Männchen, verdunkelten sich. Allesamt streckten sie in beiden Händen geschärfte Eissplitter in die Höhe. Sie würden zum finalen Schlag ausholen. Der Regen von zehntausend stahlblitzenden Eisspeeren erfasste den mittlerweile durch den fortschreitenden Fall in den Abgrund geschwärzten Himmel vollständig. Sie warfen die eisigen Speere gen Himmel. Diese durchschnitten auf ihrem Flug das grelle Leuchten des Himmels bis sie ihren Zenit erreichten. Dort hielten sie eine gefühlte Ewigkeit inne. Die Männchen blickten voller Freude und Zufriedenheit auf ihr Werk. Sie konnten es kaum erwarten bis die todbringenden Waffen ihre Richtung änderten. Doch es dauerte. Konnten sie sich nicht entscheiden? Wer war es, der sich nicht entscheiden konnte? Dem Tod ins Auge blickend war ihr der unendlich währende Moment des Wartens auf das Unausweichliche gar zu lästig. Es war zu spät. Sie rasten nun in Richtung des bodenlosen Abgrunds. Ihre schiere Menge ließ die einzelnen Speerspitzen optisch miteinander verschwimmen. Das gewöhnliche Auge würde die abertausenden Speere wahrscheinlich als einen alltäglichen Regenschauer wahrnehmen. Regen mochte sie. Sie blickte ihrer Vernichtung entgegen. Kein Splitter würde sie je verfehlen, da war sie sich sicher. Jeden Millimeter ihres Körpers würden sie sauber durchbohren und am anderen Ende wieder heraustreten. Dann, urplötzlich spürte sie eine Wärme dort vor sich. Ein winziger roter Flammenkegel begann sich direkt vor ihren Augen zu formen. Rasend drehten sich die züngelnden Flammen um einen gemeinsamen Mittelpunkt und wuchsen von Augenblick zu Augenblick zu einer ja gar ihr als Schutzschild dienenden Scheibe heran. Für den Bruchteil einer Sekunde spürte sie die Geborgenheit des wärmenden Feuers, welche ihrem von der eisigen Dunkelheit zerfressenem Körper einen letzten Energieschub spendete. Die flammende Scheibe machte jedoch nicht den Anschein ihr exzessives Wachstum auszusetzen und ihren schützenden, für sie lebenserhaltenden Zustand zu bewahren. In Sekundenbruchteilen erreichte das lodernde Feuer kosmische Ausmaße und verschlang alles um sich herum. Die absurde Szene, die soeben noch ihren Tod einläuten sollte, fiel nun vollständig den Flammen zum Opfer. Nur derart göttliche Flammen seien in der Lage den Tod eines jeden Wesen dieser Welt zu besiegeln und den Funken unserer Seelen von den nun leblosen Hüllen zu trennen. Funken, die zurückkehren sollten zu jenem Zeitpunkt an dem sich diese Welt zu verändern begann. Wieder würden sie einen Brand entfachen, der sich selbst über dem Wasser ausbreiten werden würde. Er würde nicht aufhören zu wüten bis jeder Splitter in seiner eigenen Asche der Zerstörung wiedergeboren werden würde. Ein langersehnter, weltenverschlingende Feuersturm der Bestrafung und der Befreiung zu gleich. Doch fände der Aschenflug eines Tages ein Ende. Kälte kröche wieder in die entlegensten, finstren Winkel dieser Welt. Der Kreis der Befreiung begänne von Neuem. Neue Helden würden geboren werden. Der dunkle Turm würde ein weiteres Mal erscheinen. Frieden gäbe es jedoch nie. Unendlichkeit hieß der Fluch, der über diese Welt wachte und der bereits das Schicksal jedes Einzelnen vorherbestimmt hatte. Selbst die Götter dieser Welt fürchteten diesen Fluch. Allein der Gedanke an die Endlosigkeit des Lebens ließ uns zittrig in den dunkelsten Ecken des Astrals kauern…
Kapitel 1
Dank sei dir Nezeb
Die Sonne streichelte über die hohen Mauern der Hauptstadt des Imperiums und erweckte den Alten Platz im Süden Nezebgrads erneut zum Leben. Vom Fenster meiner imperialen Einheitswohnung in perfekter Lage auf dem Alten Platz erspähte ich die vielen Händler aus den Archipelen, die früh morgens ihre Stände eröffneten. Sie hatten es hart. Von weit her mussten sie kommen jeden Tag. Lediglich ein Schiff am Tag legte morgens jeweils von den Wilden Inseln und dem ZIP-Hauptquartier am Hafen Nezebgrads im Norden der Stadt an. Der Weg vom Hafen bis in den Süden der Stadt war ebenfalls sehr beschwerlich. Trotzdem bevorzugten es die Händler der anderen Völker noch auf ihren Archipelen zu leben. Sie hatten ihr Vertrauen in die neue Ordnung noch nicht wiedererlangt. Nezebgrad war nun eine Stadt aller Völker des Imperiums. Orks, Arisen und Xadaganians würden hier zusammen in Eintracht leben. Das war jedoch noch immer Utopie und weit weg von der eigentlichen Realität. Xadaganians dominierten die gesellschaftliche Ordnung in der Stadt unaufhörlich. Viele meiner Stammesmitglieder hassten den neuen Frieden noch mehr als den alten. Sie entschieden sich daher jeden Tag aufs Weitere in die Stadt zu fahren, um ihren Geschäften nachzugehen oder ihr Söldnerdasein auszuleben. Ich würde lügen zu behaupten, dass die Menschen des Imperiums aufhörten auf uns herabzuschauen und uns zu diskriminieren. Streit zwischen den Völkern blieb in der Stadt nicht aus. Doch nicht alle waren so. Wenn man mit gutem Beispiel voranging, fand man in dem Innenstadtchaos der vielen Vierteln hier und da Gleichgesinnte. Auf dem Alten Platz zeigten sich die Bewohner Nezebgrads freundlich und herzlich gegenüber den Orks. Vor langer Zeit schon hatte ich gelernt zu schmieden. Sobald ich meine Zigarre aufgeraucht und meinen pechschwarzen Kaffee ausgetrunken hatte, öffnete ich die hölzernen Manschetten der Tore meiner beschaulichen Schmiede am Alten Platz und bot meine Waren von letzter Nacht an. Vielleicht traf ich mal wieder alte Freunde von den Wilden Inseln, die für ihre Aufträge im Heiligen Land neue Waffen benötigten. Ich war eine der Wenigen, die sich damals getraut hatten in die Stadt zu kommen. Nur noch raus wollte ich aus dem unziviliserten Alltagstrott der Orks. Die Stadt sehen, Arisen sehen, etwas Neues erleben, einen neuen Alltag. Nezebgrad war genau der richtige Ort dafür. Die Stadt war gigantisch. Es war die größte Stadt aller bekannten Zivilisationen in Sarnaut. Organisiert aber auch chaotisch. Das Auge der Welt, nannte sich das herausstechende kilometerhohe Bauwerk in der Mitte der Stadt, um das die übrigen Bezirke der Stadt im Schachbrettmuster angeordnet waren. Acht Bezirke gab es insgesamt. Vier davon sind meiner Meinung nach unbewohnbar. Ein Industriegebiet, ein gewaltiges Kraftwerk, die Kläranlage und der Friedhof thronten in ihnen und vergifteten das Leben dort. Zwei andere kamen wegen ihres hochrangigen Klientels nicht in Frage. Im Bezirk "Siegespark" lebten ehrenwerte Offizielle, Kriegsfürsten und Adlige. Der Alte Platz war genau der richtige Ort in Nezebgrad. Handwerker aller Völker lebten hier und priesen ihre Waren aus aller Welt an. Man traf gelegentlich sogar Orks, Arisen und Menschen aus den Kolonien im Heiligen Land und bekam Geschichten von Abenteurern über Schlachten in den Weiten des Astrals zu hören. Ich verspürte jenes Fernweh noch nie. Das Leben in der Stadt war für mich stets wünschenswert. Dieser Wunsch wurde nun endlich zur Realität und ich wollte diese Realität für kein Abenteuer Sarnauts wieder hergeben. Ich wendete mich vom Fenster ab und streifte durch meine beschauliche Wohnung. Das Zimmer ist wie fast alle im typischen Einheitsbaustil des Imperiums errichtet worden. Alle Wohnungen dieser Art in Nezebgrad waren identisch. Klein aber zweckmäßig. Ich zog mir mein rotes Stammeshalsband bis über die Nase, legte mir meine Schmiedverkaufstracht an und stieg die lange Flurtreppe hinab zu meiner beschaulichen Schmiede. Hier auf den Alten Platz wurden die Wände der Wohnblöcke des Erdgeschosses im großen Stil herausgerissen, um den dann gewonnen Platz für Werkstätten, Verkaufsstände und Feuerstellen zu Verfügung zu haben. Heute Morgen öffnete ich nur den Verkaufsstand. Den Blick in das Chaos meiner Ambossstelle wollte ich den Kunden gerne ersparen. Während die ersten Abenteurer, alte Bekannte und Stammkunden bei mir in der Schlange standen und ich ihre Bedürfnisse eine nach der anderen abwickelte, stahl sich ein offensichtlich männlicher Ork in einem dunklen Gewand an der Schlange vorbei und stand urplötzlich vor mir. Im vollen Bewusstsein, dass er gerade viele verärgerte Blicke auf sich zog und nebenbei auch meine Verkaufsroutine mit seiner Dreistigkeit unterbrach, fuhr er mich von der Seite an: "Genossin! Ich muss mit dir reden, hast du kurz?" Verdutzt und leicht getriezt musterte ich die verhüllte Silhouette. "Alle stellen sich an, das müssen Sie auch, was fällt Ihnen eigentlich ein sich das Privileg herauszunehmen hier einfach so hereinzuplatzen!?" Waffenaffin wie ich war inspizierte ich nebenbei den auf seinem Rücken geschnallten Streitkolben. Mit Smaragden verziert, grün leuchtend ist dies eine Waffe, die nur von einer sehr hohen Handwerkskunst anderer Völker hergestellt werden konnte. Diese Waffe stammte nicht aus dem Imperium. Wir schmieden zwar hochwertige und auch derartig epische Waffen, jedoch nicht in diesem Stile. Mir war sofort klar, der aufmüpfige Besucher war einer dieser Abenteurer. "Genossin, erkennst du mich nicht mehr?" Er nahm die dunkle Kapuze ab und ermöglichte mir einen Blick in seine Augen. Es brauchte nur einen Augenblick, dann platzte es aus mir heraus: "Tarir der Barmherzige, nicht wahr! Was suchst du hier in Nezebgrad, nach all den Jahren". Tarir war ein Ork vom selben Stammesklan der Wilden Inseln wie ich es war. Er war ein guter Freund, den ich schon seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen hatte. Damals fasste er den Entschluss auch die Inseln zu verlassen. Er war jedoch auf das Leben im Heiligen Land fixiert. Zu jenen Zeiten sagte man uns das Heilige Land wäre vollständig imperial und man könne dort als Soldat der imperialen Armee dienen den Frieden zu sichern. Tarir zog es in die Schlachten dieser Welt, wie an seinem lebendigen Antlitz erkennen konnte, war er bis jetzt wohl sehr erfolgreich. "Hörzu, ich muss mit dir sprechen, können wir hochgehen zu dir? Es ist sehr wichtig." Meine Freude ging rasch in Sorge über. Ich kannte meinen alten Freund jetzt schon sehr lange. Die Tonart in seiner Stimme ließ mich zusammenzucken. Ich zog Tarir hinter den Stand, schloss die hölzernen Manschetten der Tore und winkte ihn hoch durch den Einheitsbau. Draußen ertönte noch das unzufriedene Gemurmel und Gemeckere meiner Kunden. Ich versuchte es zu ignorieren, doch mein Instinkt als Handwerker hinterließ natürlich ein mulmiges Gefühl. Tarir stieg die letzte Treppenstufe in meine Wohnung hinauf, stellte sich ans Fenster und warf kurz einen Blick auf das rege Treiben des Alten Platzes. "Ah, mal wieder hier in Nezebgrad, ganz vergessen wie einfach ihr hier haust." "Mir reichts, wir sind halt bescheiden" antwortete ich Tarir trotzig. "Aber nicht mehr lange wahrscheinlich." Er zog die Vorhänge zu, sodass der Raum nun im Dunkeln lag. "Schon seit langer Zeit kämpfe ich im Heiligen Land. In Asee-Teph, in Eljune und auf dem Coba Plateau. Die Kämpfe hören nicht auf. Ganz im Gegenteil. Wir werden zunehmend zurückgedrängt in mickrige Läger an der Küste. Nicht nur die Armee der Liga wird immer stärker. Auch die Dämonen kommen zurück." Das was Tarir nun erzählte ließ mich nachdenklich werden. "Hieß es nicht früher das Heilige Land wäre eine imperiale Kolonie und gehört allein uns?" fragte ich. Tarir wartete bereits auf diese Frage, er widersprach mir: "Das war eine Lüge, vielleicht unter Gorluxor. Doch Gorluxor selbst ist dort jetzt eine Bedrohung und baut eine Armee auf. Vielleicht muss das Imperium das Heilige Land bald komplett verlassen." Ich verstand. "Das waren die Neuigkeiten, die du mir erzählen wolltest?" fragte ich nach, nachdem Tarir eine kurze Gedenkpause machte. "Nein, das ist erst der Anfang. Diese Lüge offenbarte sich mir schon vor langer Zeit. Ich fasste damals den Entschluss, dass Imperium zu verlassen und als Prospektor in Coba frei von jeglichen Fraktionen zu leben. Als Händler, Söldner und Erkunder." "Du bist illegal hier!?" schoss es aus mir heraus. "Du hast Landesverrat begangen? Wieso kommst du zurück Tarir, das könnte dein Ende bedeuten." Tarir trat nahe an mich heran und entgegnete mir sorgsam: "Ich bin hier um dich zu warnen. Du musst mit mir kommen." empört reagierte ich auf seine Worte "Ich gehe nicht fort, egal was du mir erzählst. Das Heilige Land ist weit weg, Nezebgrad ist sicher, Yasker und das Auge haben hier alles unter Kontrolle." erwiderte ich ihm entschlossen. "Du hast Recht. Vor der Gefahr im Heiligen Land seid ihr sicher. Aber die Gefahr ist eine andere." "Welche soll das sein Tarir?" fragte ich ihn. "Yasker, euer Herrscher." "Unsinn. Yasker hat damals die Völker vereint, er hat uns wieder Rechte gegeben, Orks, Arisen und Xadaganians regieren nun gemeinsam über das Imperium." "Das glaubst du doch wohl selber nicht." widersprach Tarir mir. "Ich sag dir jetzt was, wenn du leben willst komm mit nach Coba. Ich habe Information das Yasker eine Invasion in das Heilige Land plant. Er gibt der Liga die Schuld, sie würde sein Land besetzen. Dabei ist die Liga dort nur eine Kraft von Vielen. Das begreift Yasker nicht. Dort sind viel dunklere Mächte am Werk." erzählte Tarir mir ruhig. "Er wird schon seine Gründe haben, ich halte mich daraus." antwortete ich immer noch trotzig. "Du wirst wohl oder übel eingezogen. Yasker will die größte Armee aufstellen, die Sarnaut je gesehen hat. Und übrigens, ich zweifle daran, dass das Heilige Land sein einziges Ziel ist. Die Liga wird immer stärker, immer mehr neu erforschte Archipele schließen sich ihr an, das Gleichgewicht der Kräfte ist instabil, Yasker will dieses Gleichgewicht mit Gewalt zu seinem Gunsten wiederherstellen. Wenn du dort mitgehst dann verspreche ich dir, falls du überlebst, wirst du auch in Schwarzwasser oder an den Küsten der Lichten Wälder kämpfen. Und eins sage ich dir auch. Während meiner Zeit als imperialer Soldat habe ich nichts als Dreck gefressen. Gehaust wie Schweine haben wir. Um uns wurde sich nicht gekümmert. Die Offiziere waren alles Menschen, die auf uns herabschauten, uns demütigten. Kein Wunder warum wir Orks schon immer das Söldnertum bevorzugten. Das Imperium ist nicht unser Zuhause, das musst du endlich einsehen." Als er fertig sprach überwältigten mich meine Gefühle. Gedanken voller Verwirrung, Sorge und Trotz wirbelten in meinem Kopf herum. Ich vertraute ihm, er war damals die einzige wirklich Bezugsperson die ich hatte. Ich war todtraurig als er vor mir die Wilden Inseln verließ. "Ich könnte dich jetzt ausliefern, das weißt du." Tarir lächelte behütend "Ich kenne dich, das würdest du doch nicht machen. Und selbst wenn, sie würden dich auch einsperren, so sind die Xadaganians unter Yasker, sie hassen uns Orks, es spielt keine Rolle ob du Yasker treu bist." "Das was du mir erzählst ist schrecklich, ein Krieg, eine Invasion und all die Lügen" In dem Moment wurde ich von der Realität überwältigt, ich wusste von der Wahrheit in Tarirs Worten. Mit trauriger Miene stand ich vor dem zugezogenen Fenster meiner neuen Heimat. Ich musste mit Erschütterung feststellen, dass dies nicht das wohlverdiente Ende ist. Tarir fuhr fort: "Das heißt nicht, dass man keine Hoffnung mehr in das Imperium haben sollte. Wir müssen eigenständig für diese Hoffnung kämpfen, für den Frieden, für Nezebgrad. Yasker wird diesen Krieg letztendlich verlieren. Jedoch nicht bevor die Vernichtung auch über diese Stadt gekommen ist. Natürlich sind wir auch in Coba nicht lange vor dem Krieg sicher, doch vertraue mir, wenn ich sage, dass ich noch weitere Archipele im Heiligen Land kenne, wo nur noch die Gunst der Einheimischen zählt. Ihre Gunst habe ich mir in den letzten Jahren hart erarbeitet. Nur ohne deine Hilfe komme ich nicht weiter. Ich weiß du bist eine gute Schützin. Lass mich bitte nicht im Stich". Noch immer aus dem Fenster meiner Einheitswohnung auf den Alten Platz starrend antwortete ich ihm ruhig und ohne ihn dabei in die Augen zu schauen: "Tarir, wo warst du all die Jahre. Ich packe meine Sachen. Falls du noch Waffen benötigst bedien‘ dich unten." Den Schmerz in meiner Stimme erkennend entgegnete Tarir vorsichtig: "Akumy… Ich habe noch ein paar Sachen in der Stadt zu erledigen. Wir treffen uns heute abend am Pier zwei am Hafen, die Ausreisedokumente habe ich schon vorbereitet, wir sind Tempelforscher." "Tempelforscher? Wirklich? Ist dir nichts besseres eingefallen? Ich könnte mein Handwerk anbieten". "Nein, dann würden sie uns engmaschiger kontrollieren. Von den Tempeln im Heiligen Land geht eine Gefahr aus, sie suchen Tempelforscher, erwarten aber auch gleichzeitig nicht, dass man überlebt. Sie wissen ganz genau, was dort im Inneren der Tempel lauert. Dein Name ist von nun an Lina die Grausame solange wir im sicheren Goldsuchers Eck in Coba sind." "Was machst du bis heute Abend, du kannst dich hier bei mir verstecken". Schieß es aus mir heraus während ich den problematischen Deserteurstatus meines Freundes bedachte. "Ich werde es mir im Untergrund bequem machen, dort habe ich noch Informanten zu treffen, die hier in der Stadt zukünftig für die nötige Ablenkung sorgen werden. Das Kraftwerk XAES soll während des Krieges sabotiert werden. Die Invasion soll im kommenden Halbjahr beginnen, sie werden alle einziehen. Orks, Arisen und Xadaganians."
Gegen späten Nachmittag packte ich meine leichte Lederrüstung, meine Waffen sowie alle übrig nötigen Sachen zusammen und machte mich ein letztes Mal auf den Weg am Alten Platz vorbei in Richtung Norden. Nach dem ersten großen Tor erreichte ich den inneren Ring, der rund um das Auge der Welt verlief. Dieser imperiale Platz wurde nicht bewohnt, nur für Paraden, Feste und Aufmärsche wurde er gelegentlich genutzt. Die Straßen hier waren blitzeblank. Auf der Ringstraße fiel es mir schwer meine Augen vom höchsten Gebäude in ganz Sarnaut zu lassen. Das Auge der Welt nannten wir jenen Turm in Mitten Nezebgrads. Von der Eingangshalle aus konnte man bis unter das Dach des gewaltig hohen Turms blicken. Die oberen Geschosse des Turms verliefen lediglich in schmalen Fluren an den Seiten um die riesige Eingangshalle entlang. So wurde das Bauwerk gegen mögliche Eindringlinge abgesichert. Von oben herab würden die Falken Yaskers das Feuer auf die Feinde eröffnen. Man sagte sich in Nezebgrad, Yasker würde überhaupt nicht wirklich im Turm sitzen. Ganz oben würde sich lediglich ein Portal zum Festsaal Yaskers befinden, der ganz und gar an einem anderen, weit entfernten Ort liegen sollte. Niemand wusste wo sich dieser Ort befand. Bei einem Angriff wäre es ein leichtes einfach das Portal zu zerstören. Yasker wäre somit Astralmeilen entfernt von seinen Angreifern entfernt und so geschützt. Vor hunderten von Jahren trug sich bereits eine derartige Schlacht hier zu. Damals wurde der dunkle Herrscher Nezebgrads Gorluxor von der vereinten imperialen Armee gestürzt und verzog sich in seine düstere Festung auf einer noch unbekannten Allod. Die Leute lies er im Glauben, die Festung würde bis heute noch aktiv existieren und den körperlosen mystischen Funken des Magiers beherbergen. Vielleicht hatte Tarir sogar schon auf dieser Allod gegen Gorluxors gekämpft. Beim Weiterschreiten in Richtung Norden durch das nächste stählerne Bezirkstor der Stadt fand ich mich im Bezirk Izune wieder. Hier diktierte ein berüchtigter, mafiöser Orkklan das alltägliche Bezirksleben. Generell fanden alle Orks, die aus den Archipelen kamen, hier Zuflucht. Aus vielen, sehr bedauernswerten Gründen war der Stadtbezirk jedoch sehr verarmt. Die Kriminalität schlich sich hoch bis zu den offiziellen Ämtern des Stadtbezirks und korrumpierte seine Bewohner. Die Orks, die herkamen, waren zwar unter sich, hatten jedoch nie wirklich eine Chance sich dem Leben in Nezebgrad anzuschließen. Mir war es damals besonders wichtig nicht nach Izune zu ziehen. Die Orks dort förderten nicht gerade das gemeinsame Zusammenleben der Völker. Sie würden von dem ersten Orkklan abstammen, der hier einst auf dem imperialen Festland siedelte, sagte man sich. Der kriegstreiberische, sich Macht anreißende Charakter der Orks begünstigte nicht gerade die Besiedlung einer derart großen Allod, wie es das imperiale Kernland dann doch war. Die Natur der Orks und ihr unbändiger Wille stets nach mehr Territorium zu streben, führte schlussendlich dazu, dass sie sich immer zu kleineren, mit einander streitenden Gruppierungen zusammenschlossen. In der Geschichte des Imperiums hatten sich die Orks des Izuneklans jedoch hier durchsetzen können und adaptierten sich mehr oder weniger erfolgreich an das Zusammenleben der vereinten Völker des Imperiums. Der Erfolg dieser Assimilierung konnte man heute nur zu gut an der Verfassung des Stadtbezirks Izune ablesen. Izune befand sich zwar hinter den Mauern der Stadt, war jedoch auch nur so durchzogen von Kriminalität, Korruption und Anarchie. Auf meinen Weg zum Hafen war Izune der letzte Stadtbezirk in nördlicher Richtung. Hinter den gewaltigen, dicken, grauen Mauern Nezebgrads lag nun die Severnysteppe, die sich nördlich der Stadt nur in einem äußerst schmalen Streifen zwischen den Mauern und der Astralküste erstreckte. Eine flache Steppenlandschaft gezeichnet durch trockene Sträucher, vereinzelte vom Wind geformte Steinsäulen und dem hellbraunen, grauen Steppengras, welches fast das gesamte Plateau abseits der Wege bedeckte. Nachdem Durchqueren des schmalen Steppenstreifens erreichte ich die Küste. An ihr wurde damals der imperiale Hauphafen gebaut. Von hier aus kamen die Orks und Arisen aus den Archipelen jeden Tag nach Nezebgrad. Vier Piere ragten kilometerlang über den Rand des Astrals hinaus. Die Piere im Osten wurden lediglich von Schiffen befahren, die sich auf den Weg zu den Wilden Inseln und zur Insel des Adlerblicks machten. Die beiden Piere im Westen waren das Tor zum Heiligen Land. Sie geleiteten die Helden jeweils nach Avilon und nach Asee-Teph. Stählerne Betonbauten schirmten die Hafenanlage in Richtung Stadt ab. In diesen stählernen Trumpfbauten saßen die klugen Köpfe des Imperiums. Die Arisen beschäftigten sich hier mit Navigation und Astralschlachtstrategien. Die Orks des Imperiums trag man hier nur selten an. Ab und an sprintete ein verdutzter Polizeioffizier aus Izune hier runter um einen flinken Halunken zu verprügeln. Wenn er ihm jedoch in den dunklen Ecken des Hafens erwischte, wurde dem Polizeioffizier meistens unmissverständlich deutlich gemacht, dass er dort nichts zu suchen hätte. Wir Orks waren freie Kreaturen Sarnauts. Wir ließen uns nicht in Kommandozentralen oder Navigationskammern sperren. Wir kämpften an vorderster Front, wo uns das gesamte Schlachtfeld zu Füßen lag. Arisen jedoch wagten es nicht auch nur einen Fuß auf wilden Boden zu setzen. Sie vollzogen ihren Hokuspokus in dunklen Untergrundkammern. Dort korrumpierten sie nicht selten zu den dunklen Wesen, die nun in jenen verfluchten Tempeln Sarnauts Zuflucht finden konnten. Neben den Orks und den Arisen bewohnten auch die Xadaganians das Imperium. Die Menschen des Imperiums waren die Taktgeber der Politik. Sie tadelten, entschieden und führten. Yasker selbst entsprang der xadaganischen Zunft der Magie, so wie auch Gorluxor vor ihm.
Die Hafenanlage hatte ich schon einige Male in meinem Leben von Nahen sehen dürfen. Die beiden Hauptpiere reichten majestätisch kilometerweit bis in das Astral hinein. An jenem Tag waren nicht viele Händler an den Pieren unterwegs. Trotzdem war die gesamte Anlage gut durch die Polizei Nezebgrads und an diesem Tage sogar durch die Eliteneinheiten Yaskers, die Falken, bewacht. Auch einige Hafenarbeiter pflegten das Gelände und kümmerten sich um die Hafenhygiene. In Grüppchen standen die Wächter Nezebgrads zusammen, rauchten und rissen Witze. Ihren diktatorischen Blicken entging kein Reisender, der am Hauptplatz des Hafens vorbei unbeobachtet zu den Pieren wollte. Auf eine Begegnung mit den Falken war ich ganz und gar nicht aus. Letztendlich würde mir aber keine Chance bleiben sie zu umgehen. Auf den breiten Astralpieren waren weit und breit keine Zivilisten zu sehen. Ich fragte mich, sollte ich auf Tarir warten? Ist die Reise in das Heilige Land vielleicht kurzfristig verboten worden? Sollte ich einfach naiv den langen Marsch antreten und Pier zwei bis zur Anlagestelle schnurstracks herunterlaufen ohne dabei den Wächtern auch nur einen Blick zu schenken? Würde das funktionieren? Offensichtlich nicht. Von Angst gefütterte Illusionen. Ich hatte mich schon entschlossen. Noch ein letztes Mal tief durchatmend machte ich mich auf den Weg über den Hafenplatz in Richtung Pier zwei. Am Ende des Piers sah ich bereits die Silhouette des Astralschiffes, dass im Begriff war nach Asee-Teph abzulegen. Die Astralschiffe des Imperiums bestanden im Gegensatz zu denen der Liga aus einer stählernen Konstruktion, die nicht mehr viel mit dem eigentlichen traditionellen Holz, aus dem die Schiffe ursprünglich einmal bestanden, gemeinsam hatte. Sie sahen unserer Hauptstadt Nezebgrad sehr ähnlich. Stählern gepanzert, grau und kantig. Die Schiffe der Liga waren noch nahe der Urform eines Schiffes gestaltet. Sie besaßen zwei gigantische weiße Segel und einen durchgehend hölzernen Rumpf. Definitiv konnte war es in ihnen gemütlicher als in unseren fliegenden Stahlbombern. Es war nur zu hinterfragen, ob sie mit diesen auch Kriege gewinnen konnten. Alle Astralschiffe Sarnauts bewegten sich fliegend mit von Manaenergie gefütterten Schwebeantrieben durch das Astral. Die Arisen waren die Großmeister der Schiffsentwicklung Sarnauts. Die für den Antrieb benötigte Energie wurde von speziellen Kristallen gewonnen, die wir Manakristalle nannten. Wenn man durch die Welt von Sarnaut fuhr, fielen sie einem spätestens ins Auge, wenn man sie unter einer jeden Insel hervorklafften. Sie waren dafür verantwortlich, dass jede Allod in dieser Welt eigenständig im Astral schweben konnte. Die Arisen hatten damals als erstes Volk gelernt dieses physikalische Grundprinzip unserer Welt für ihre Technologien brauchbar zu machen. Unseren Geschichten nach hätte es ein Volk der Liga in der Vergangenheit nie gewagt diese Prinzipien auch nur annähernd zu begreifen. Die Arisen waren daher die Großmeister der Physik dieser Welt und ebenso ihre Architekten. Keine je gelebte Kreatur besaß je vergleichbare kognitive Fähigkeiten. Es war offensichtlich, die Völker der Liga hatten sich dieses Wissen auf räuberischen Wegen ergattert. Das führte zur Entneutralisierung der arisischen Position in Sarnaut und ihren Anschluss an unser Imperium. Geschichten, die man uns schon als Kinder erzählt hatte. Tarir hatte diese Geschichten mit Sicherheit ebenfalls zu Haufe gehört. Über den Hafenplatz kam ich überraschend schnell und noch ohne von den Polizeioffizieren kontrolliert zu werden. Am Beginn des Piers jedoch wies mich ein kurzer, bis an die Zähne bewaffneter, gepanzerter xadaganischer Soldat zu Recht. "Ey Sie, stehenbleiben! Der Zutritt zum Pier ist bereits ab heute Morgen acht Uhr zentral imperialer Zeit nicht mehr gestattet, Befehl des Stadtrats!" blökte der Xadaganier, lief mir mit kurzen aber schnellen Schritten nach und stellte sich mir mit breitem Schritt in den Weg. Mein Blick wanderte an seiner Panzerung herauf, über seinen Helm, bis zu seiner geschulterten Pike, deren Spitze gute zwei Fuß über seinem Kopf hervorragte. Seine Hände waren stets in Griffweite der Waffe. Es schien als meine er es ernst. "Entschuldigen Sie bitte, ich bin Bürger Nezebgrads, ich habe eine Ausreisegenehmigung für das Schiff heute Abend zum imperialen Lager Asee-Tephs" antwortete ich ihm respektvoll auf seinen doch durchaus scharfen Umgangston. "Bürger Nezebgrads …, dass ich nicht lache, ein Orkweib gehört nicht nach Nezebgrad, sondern an die Front. Euer Volk verschleimt die Stadt, nun haut ab bevor ich Verstärkung rufe." Solch diskriminierende Worte hörte ich auf dem Alten Platz nur selten. Ein gewisses Gefühl der Wut begann sich in meiner Magengegend breit zu machen. Trotzdem aber versuchte ich tief durchzuatmen: "Nun, an die Front will ich doch, wir wurden eingezogen." log ich. "Ich sage dir mal was meine kleine Maus, ihr werdet alle noch früh genug eingezogen. Verkriech dich wieder in deine steinerne Höhle bis es soweit ist und sag deinen Orkfreunden, dass sie sich aus Nezebgrad verziehen können." Ich war nun kurz davor meiner Wut freien Lauf zu lassen und das Kurzschwert, welches versteckt an meinem Ledergürtel geschnallt war, zu zücken. In diesem Moment spürte ich eine kräftige vertraute Hand auf der Schulter. Ich drehte meinen Kopf nach Links. Wieder unter einer dunklen Kapuze verdeckt erkannte ich die Umrisse eines mir nun wieder sehr bekannten Gesichts. "Was willst du auch noch hier Ork? Ich brauche Verstärkung!" schrie der xadaganische Soldat, wobei ihn die plötzliche Erscheinung des mächtigen Kriegers, der Tarir nun einmal war, augenscheinlich einschüchterte. Wie bei unserem ersten Treffen trug Tarir seine dunkle unscheinbare Tracht und darüber seinen mächtigen juwelenverzierten Streitkolben auf dem Rücken. Die Soldaten am Hafen kannten sich zwar sicherlich gut mit Waffen aus. Denn als imperialer Soldat war man gezwungen sich während der Ausbildung ausgiebig mit den Werkzeugen des Schlachtfeldes auseinanderzusetzen. Bögen, Schwerter, Speere und Streitkolben der Feindeslande, geschmiedet im äußeren Astral oder sogar in Teilen des Heiligen Landes waren für diese Soldaten, die in ihrem gesamten Leben das Imperiale Kernland noch nie verlassen hatten jedoch gänzlich unbekannt. Es wurde ihnen aus verschiedenen Gründen gar nicht erst beigebracht. Die Propaganda um die Großartigkeit der imperialen Schmiedekunst durfte natürlich unter keinen Umständen von äußeren Einflüssen widerlegt werden. Die Soldaten würden aber durchaus erkennen können, dass eine Waffe, wie es die von Tarir war, nicht einfach in der Stadt zu erwerben war. Offensichtlich von Tarirs Anblick verunsichert, griff der xadaganische Soldat nach seiner Waffe und richtete sie abwechselnd auf Tarir und mich. "Hilfe, ich brauche Verstärkung, zwei Orks, die sich den Befehlen wiedersetzen! Sie tragen schwere Waffen!" rief er. Durch die vielen metallischen Klänge nahm ich wahr wie andere Soldaten ihre Waffen zogen und sich mit schnellen Schritten auf uns zu bewegten. Tarir flüsterte mir ins Ohr: "Wie in alten Zeiten." Ich verstand. Blitzschnell griff ich mit meiner rechten Hand links an meinen Gürtel und zückte ein weißes rundes Gefäß hervor. Ohne zu zögern schmetterte ich sie auf den Boden vor mir. Im selben Moment griff ich rechts an meinen Gürtel und zückte ein weiteres diesmal schwarzes Gefäß, welches ich ebenfalls kurzerhand auf den Boden donnerte. Durch das erste Gefäß begann sich langsam ein dichter heller Rauch auszubreiten. Daraufhin entfachte sich die Wirkung des zweiten Gefäßes. Lauter Krähenfüße wie wir sie nannten, faustgroße Bleikugeln mit fünf Zentimeter langen Dornen, zerstreuten sich in einem Radius von zwanzig Metern überall auf dem Plateau. Im Nebel zog Tarir seine Waffe, murmelte einen kurzen Zauber und schwang sie dann in den leeren Raum vor sich. Ich sah nicht wirklich was passierte. Ich hörte nur ein dumpfes Geräusch, das nur daraus resultieren konnte, dass die durch den Rauch verhüllten Soldaten mitsamt ihren schweren Rüstungen niederfielen. Die spitzen Dornen der Krähenfüße bohrten sich nun an den ungeschützten Stellen in ihr Fleisch. Mit seinem Schwung traf Tarir niemanden direkt, er verletzte jedoch auch keinen der Feinde mit seiner Waffe. Er schlug sie lediglich durch seinen Zauber nieder. Nun war es Zeit die Wut, die sich durch die diskriminierenden Worte des Soldaten in meinem Bauch gestaut hatte, freien Lauf zu lassen. Ich griff Tarir am Arm, drehte mich mit dem Rücken zum Schiff am Ende des Piers und stieß mich kraftvoll von meinem auf dem Boden liegenden Gegner ab. Die Physik des Astrals katapultierte uns gute hundert Meter den Pier entlang in Richtung Schiff. Auf dem Pier standen noch dutzende weitere Feinde, die augenblicklich ihre Waffen zogen. Flink und ohne Waffengewalt gelang es mir die schwerfälligen Gegner auszumanövrieren und ihren klobigen Hieben auszuweichen. Tarir stoß sie dann mit schnellen Stößen seines Streitkolbens einer nach dem anderen hinunter in die Tiefe des Astrals. Da ich durch meine schnellen Manöver es gar nicht erst mit den Soldaten aufnehmen musste, lief ich weit vor Tarir den Pier hinunter. Mit Saltos, Sprüngen und Ausfallschritten wich ich jedem Stoß meiner Gegner aus. So wie in alten Zeiten, wie Tarir mir eben noch ins Ohr geflüstert hatte. Die mit Lumpen bekleideten Schiffsgehilfen bereiteten soeben das Schiff auf die Abfahrt vor. Sie bemühten sich das Schiff noch vor unserer Ankunft loszumachen. Das war das Einzige was sie uns noch entgegenzusetzen hatten. Die Besonderheit meiner Kriegskunst lag nicht nur in meiner Flinkheit, sondern auch in der Fähigkeit extrem große Distanzen mit Sprüngen zu überwinden. "Tarir komm zu mir, schnell!" rief ich ihm zu. Er erkannte die brenzliche Situation. Noch mit einem der Wächter ringend, richtete Tarir seinen zweihändigen Streitkolben aus der Ferne auf eine nahe bei mir sich befindende Position. Ein Schwall aus goldenem Licht umgab ihn während seine Silhouette rasend auf mich zu kam. Es war fast so als ob die Waffe, auf mich zu fliegend, Tarir hinter sich herziehen würde. In dem Augenblick an dem ich seinen Arm zu greifen bekam, sprang ich in die Luft, vollzog einen Salto vorwärts und landete gerade noch so auf dem Deck des bereits vom Pier abfahrenden Schiffes. Wie ein Ninja federte ich den Sprung mit einer Hand ab und hob den Kopf, um die Lage auf dem Schiff zu inspizieren. "So wie in alten Zeiten, Akumy" lachte Tarir herzlich. "Hier auf dem Schiff kann uns nichts mehr passieren, erst wieder bei der Ankunft müssen wir uns wahrscheinlich zum Kampf bereit machen" verdeutlichte mir Tarir "Zum Kampf, also ich habe die alle ohne eine Waffe erledigt" prahlte ich lachend Tarir gegenüber. "Haha, du weißt doch, ich habe ein paar mehr Kilo als du" zwinkerte er mir zu. Die Arbeiter auf dem Schiff waren uns nicht feindlich gesinnt. Es waren stets einfache Arbeiter, die sich um die Schiffe kümmerten. Es war ihnen egal wer auf ihren Schiffen unterwegs war. Sie wurden ohnehin nur mit einem Hungerlohn vom Imperium bezahlt. Zwei Viertel von ihnen waren Sklaven, ein Drittel Goblins. Konkret dieses Astrallschiff pendelte sowieso nur zwischen zwei Häfen. Die Fahrt würde jedoch lange dauern. Wir zogen uns zurück an die untere Reling des Schiffes. Während wir unsere Ausrüstung auf die Ankunft vorbereiteten war mir ganz mulmig zu Mute. Diese Realität die mich nun doch aus meinem wunderbaren Leben in der Stadt rausriss, füllte mich mit Wehmut und Melancholie. Eine Welt, die ich gut geglaubt hatte, wurde von einem auf den anderen Tag zu einer Schrecklichen. Beim Gedanken an diese Einsicht schmerzte es mir in der Brust. So starrte ich in die Leere des Astrals. Wieder spürte ich Tarirs kräftige Hand auf meiner Schulter. Ich war doch nicht allein. Meine Welt hatte sich verändert, aber jede Veränderung hat auch etwas Gutes. Ich fing an zu begreifen wie sehr mir echte Freundschaft und Geborgenheit gefehlt hatte. Vielleicht bin ich damals vor genau diesen Schmerzen in die Stadt geflohen, Schmerzen unterfüttert von Sehnsucht nach Liebe. Ein Stück Heimat, ein Stück Kindheit, ein Stück Familie von nun an wieder ein Herz und eine Seele...
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